Rhythm is it

Die Phasen des Zyklus

„Der weibliche Zyklus ist auf wundervolle Art und Weise mit den vier Jahreszeiten zu vergleichen. Mir hat dieses Bild geholfen, die Phasen zu verstehen und zu begreifen, was in mir vorgeht.“ (Christiane Berg)

 

Rhythm is it-Christiane BergDie monatliche Blutung der Frau ist mit dem Winter zu vergleichen, einer Zeit, der Ruhe und des Rückzugs, aber auch einer Phase der Reflektion. Danach folgt die sogenannte Follikelphase, die dem Frühling gleicht. Ihr kommen Attribute wie Aufbruch, Neuanfang und Leistungssteigerung zu. Es folgt der Eisprung, das wichtigste Ereignis im Zyklus. Denn dies ist der Moment, in dem eine Schwangerschaft möglich wird – das Ereignis, auf das der weibliche Körper ausgelegt ist und den er zwischen Menarche (erste Blutung) und Menopause (letzte Blutung) Monat für Monat anstrebt.

Der Eisprung ist mit dem Sommer vergleichbar, in dem alles auf Energie, Freiheit und Leben gestellt ist. Doch wie auch im echten Leben muss auf den Sommer der Herbst, die sogenannte Lutealphase folgen, die Frauen wieder dazu bringt, etwas ruhiger zu werden und sich auf ihr Inneres zu konzentrieren. Der weitere Weg hängt davon ab, ob eine Schwangerschaft eingetreten ist oder nicht. Wenn nicht, kommt es nach einiger Zeit wieder zur Blutung und der Zyklus beginnt von vorn.

Die Übergänge zwischen den einzelnen Phasen sind nicht immer klar zu erkennen. Sie hängen vom Hormonspiegel ab, der sich nicht von heute auf morgen um einhundertachtzig Grad dreht, sondern über Tage hinweg schwankt, mal höher, mal niedriger ist.

Keine Frau gleicht der anderen, jeder Zyklus ist unterschiedlich. Das liegt daran, dass wir alle individuell sind und unsere Lebensumstände und -Stile voneinander unterscheiden, entsprechend unterscheidet sich die Wahrnehmung unseres Zyklus. Ich schreibe aus meiner Perspektive und Erfahrung. Es ist wichtig, dass du dich selbst beobachtest und schaust, was auf dich persönlich zutrifft.

Frühling steht für Aufbruch, Neuanfang und Entwicklung. Wir alle kennen das Gefühl, wenn nach dem Winter die ersten warmen Sonnenstrahlen unser Gesicht erreichen und wir endlich die ultrawarme Winterjacke wieder in den Schrank hängen können. Wir gehen nicht mehr raus, nur um schnell wieder ins Warme zu kommen, sondern genießen unsere Umgebung. Mit Blick auf den Sommer, der vor uns liegt, kommen neue Ideen. Projekte und Möglichkeiten rücken in unseren Fokus. Je weiter sich die Sonne vorkämpft, desto mehr steigt unser Tatendrang und unsere Bereitschaft, Dinge anzupacken. Manche davon haben sich bald erledigt, andere halten wir länger durch und wieder andere bringen wir zu Ende. Man könnte Menschen im Frühling als sprunghafter beschreiben, von einem Ding zum nächsten hüpfend. Die Vorfreude auf den warmen Sommer erfüllt uns. Eine Zeit, um sich neu zu verlieben. Draußen blüht alles auf, die Welt wird nach dem grauen Winter wieder bunt und so viel schöner. Überall sehen wir neues Leben und Fülle und kommen kaum darum herum, die Welt zu bewundern.

Dieses Bild des Frühlings passt zur Follikelphase im Zyklus der Frau. Diese Phase findet nach der Menstruation statt und bereitet uns in einem immer größer werdenden Crescendo auf den Eisprung vor. Um dieses Ziel zu erreichen, vergrößern sich unsere Ressourcen auf allen Ebenen: emotional, geistig und auch körperlich. Frau steckt voller Ideen, Tatendrang und Motivation. Die Follikelphase fühlt sich an wie eine Aufwärtsspirale nach dem Tal und bringt viele verschiedene Facetten mit sich. Manchmal kann das etwas verwirrend sein, wenn man noch an die ruhigeren Phasen vorher gewöhnt war. Aber es tut gut, die mehr und mehr steigende Energie zu spüren, sie anzunehmen und für den neuen Zyklus neue Ziele anzugehen oder anzufangen, diese umzusetzen.

Am Anfang der Follikelphase ist, angesichts all der Energie, Vorsicht geboten sein. Wir sind schnell versucht über die eigenen Grenzen zu gehen. Wie in allen anderen Phasen auch, ist es wichtig, auf den eigenen Körper zu hören und die Bedürfnisse, die er äußert, ernst zu nehmen. Bis hin zum Eisprung verändern sich diese weg von Ruhe und Erholung, hin zu Aktivität. Bis dann der ganze Körper nach Freisetzung von Energie, nach Bewegung und Tatendrang schreit.

Um zu verstehen, warum unser Körper im weiblichen „Frühling“ so reagiert, schauen wir uns zunächst einmal an, wie sich unsere Hormone verhalten, wenn die Menstruation vorüber ist.

Der weibliche Zyklus spielt sich nicht nur in der Gebärmutter ab. Die ausschlaggebenden Impulse kommen aus dem Gehirn. Nach der Menstruation beginnt die Hypophyse (Hirnanhangdrüse), das Hormon FSH (kurz für Follikelstimulierendes Hormon) zu bilden. Dieses Hormon stimuliert einige Eibläschen in der Gebärmutter zu wachsen, zwischen 3 und 30 Stück. Die Eibläschen werden in der Fachsprache Follikel genannt, daher der Name des Hormons. Diese wachsen dann, angeregt durch das FSH. Am Ende springen aber nicht alle dieser Eibläschen. Während dieser Wachstumsphase bildet sich ein dominantes Follikel heraus, das als einziger weiterwächst, während die anderen abgebaut werden. Aus diesem springt am Ende dieses Prozesses das Ei, das in diesem Zyklus befruchtet werden kann.

Während seiner Wachstumsphase bildet der Follikel ein weiteres Hormon, welches wichtig für den Verlauf des Zyklus‘ ist: Östrogen. Östrogen ist als DAS weibliche Sexualhormon bekannt.

Östrogen wird hauptsächlich durch die Follikeln produziert. Es ist bei Frauen für Erregung zuständig, und hilft dabei, die primären und sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale auszubilden – also die Gebärmutter, Brüste und Milchdrüsen. Durch Östrogen wird der Schleim in der Gebärmutter und im Gebärmutterhals aufgebaut. Weil durch diesen Prozess auch die „Glückshormone“ Serotonin und Dopamin angekurbelt werden, steigt die Energie auf allen Ebenen. Körperlich, geistig und emotional kann so mit dem steigenden Östrogenlevel mehr und mehr ausgehalten, bewältiget und geschafft werden. Die Kreativität steigt und auch das Verlangen nach sozialer Interaktion wird größer und größer.

Östrogen ist aber nicht nur im Zusammenhang mit Uterus und Co. wichtig. Es beteiligt sich auch am Stoffwechsel, so hilft es zum Beispiel beim Aufbau von Knochen.

Der Gebärmutterhals liegt zwischen Vagina und dem Uterus. Der Schleim aus dem Gebärmutterhals wird als Zervixschleim bezeichnet (von lat. Hals: Zervix). Er kommt aus den Drüsen in der und um die Zervix. Die wichtigste Aufgabe des Zervixschleims ist es, in der Zeit um Eisprung herum das Sperma in die Gebärmutter und anschließend in die Eileiter befördern zu helfen. Während der Follikelphase wird die Gebärmutter auf den anstehenden Eisprung bzw. eine mögliche Schwangerschaft vorbereitet. Das heißt, die Gebärmutterschleimhaut wird weiter aufgebaut und verdickt, sodass eine befruchtete Eizelle sich gut einnisten könnte.

Bis hierher spricht man von der Follikelphase. Sie ist eine Phase des Aufbaus, der Veränderung und des Vorankommens. Über die Länge der Follikelphase sind verschiedene Zahlen bekannt. Klar ist, dass es sich um die variabelste Phase des Zyklus‘ handelt. Generell ist alles zwischen 11 und 20 Tagen normal. Die unterschiedliche Dauer hängt mit dem Heranwachsen der Follikel bzw. dem Zeitpunkt des Eisprungs zusammen. Das kann durch Stress oder Krankheit beeinflusst werden. Haben wir viel Stress, dauert es länger bis genügend Östrogen gebildet wurde so dass der Eisprung stattfinden kann. Von der Länge der Follikelphase hängt ab, wann die nächste Periode einsetzt. Also nicht die Periode verschiebt sich, sondern der Eisprung, der wiederum durch den Verlauf der Follikelphase bestimmt wird.

Nach dem kalten, zum Rückzug einladenden Winter kommt nun die Zeit, in der wieder mehr das Verlangen haben, nach draußen zu gehen und die ersten Sonnenstrahlen zu genießen. Noch ist nicht alles in Fahrt gekommen, doch so langsam macht sich die erste Geschäftigkeit bemerkbar.

Auch körperlich bemerken wir, wie alles wieder in Schwung kommt. Waren wir während der letzten beiden Zyklusphasen eher etwas schwerfällig und beste Freunde des Sofas, kommt jetzt Energie hoch, die uns dazu bringt, einmal mehr die Sportschuhe anzuziehen und die Energie zu verbrennen.

Ähnliches sieht man auf emotionaler Ebene. Vorher zurückgezogen, reflektiert, sehnen wir uns jetzt nach Gemeinschaft, uns mit unseren Freunden oder der Familie zu treffen; sogar danach, neue Menschen kennenzulernen. Natürlich will nicht jede immer neue Bekanntschaften machen, falls doch, ist im Frühling die beste Zeit dafür.

Selbstzweifel schwinden, sodass wir selbstbewusster und sicherer werden. Das ist uns oft gar nicht so klar, da man diese positive Entwicklung einfach so mitnimmt.

Wir brauchen eine Welt, in der Weiblichkeit Platz hat. Der Zyklus, die natürliche Beschaffenheit der Frau werden immer noch zu oft ignoriert. Wir müssen anfangen, Veränderung von dieser Grundlage her zu denken. Bei jedem Schritt, den wir gehen, sollten wir die Frau als Ganzes im Blick haben und für alle Facetten von Weiblichkeit offen sein. Das fängt bei uns an.

Ich wünsche mir ehrliche Sichtbarkeit in Werbung, in Filmen, in Arbeitsverträgen und an Universitäten, im Sport, in Kirchen und in der Ernährungsindustrie. Wenn uns von dort gespiegelt wird, dass alle Facetten von Weiblichkeit real, gut und erstrebenswert sind, würde sich einiges ändern. Wenn wir Weiblichkeit so facettenreich sehen können, wie sie ist, können wir anfangen, sie zu akzeptieren. In ihr aufzugehen. Dann spüren wir, wie befreiend es ist, mit dem eigenen Rhythmus zu gehen.

Der Zyklus ist die Grundlage dafür. Von da aus fangen wir an, Weiblichkeit zu entdecken, jede für sich und gemeinsam.

Christiane Berg, Auszug aus „Rhythm Is It“, Innenwelt Verlag
Erscheint im Herbst 2024