Kein bisschen Frieden

Auf der Welt herrscht Krieg. Staaten und Militärblöcke führen Kriege gegeneinander, Bevölkerungsgruppen innerhalb von Staaten bekämpfen einander, der Mensch als Spezies will sich die Natur untertan machen. Woher kommt dieses Streben nach Dominanz, nach Herrschaft, nach Durchsetzung der eigenen Weltsicht selbst um den Preis der völligen Vernichtung des anderen? Welche Möglichkeiten gibt es, diesen permanenten Kriegszustand zu überwinden?
„Von deutschem Boden soll nie wieder ein Krieg ausgehen.“ Willy Brandt soll das so gesagt haben. Artikel 26 unserer Verfassung und Paragraph 80 des Strafgesetzbuches liefern dafür die rechtlichen, die deutsche Geschichte insbesondere des 20. Jahrhunderts die historischen und moralischen Grundlagen.
Im Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 bestätigten die Regierungen der ehemaligen DDR und BRD, dass ein vereintes Deutschland seine Waffen höchstens „in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen“ einsetzen werde. Keine zehn Jahre später mischte sich das von einer rot-grünen Regierung geführte Deutschland in den Jugoslawienkrieg ein, dann wollte SPD-Verteidigungsminister Peter Struck „Deutschland am Hindukusch“ verteidigen.
Brandts hehre Maxime geriet immer stärker unter Beschuss aus dem eigenen Lager, sodass die willfährige bis eilfertige logistisch-materielle Unterstützung der USA-hörigen ukrainischen Scheindemokratie durch die aktuelle rot-gelb-grüne Bundesregierung beim deutschen Michel begeisterte Zustimmung erntet.
Seit Beginn der Neuzeit gilt der Dreißigjährige Krieg (1618 bis 1648) als der längste Krieg in der deutschen und mitteleuropäischen Geschichte, der zu schrecklichen Verheerungen und der Dezimierung der Bevölkerung um die Hälfte — von 18 auf 9 Millionen — geführt hat. Nach der Verkündigung des Westfälischen Friedens im Jahre 1648 ließ die Stadt Münster Gedenkmünzen mit der Inschrift Pax Optima Rerum („Der Friede ist das beste aller Dinge“) schlagen, zwanzig Jahre später legte Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen mit seinem Roman Simplicissimus die erste wichtige literarische Auf- und Verarbeitung des unmenschlichen Gräuels vor und deckt darin den „gesellschaftlichen Verderbensweg“ auf, der diesem „anthropologischen und kulturhistorischen Rückschritt“ zugrunde liegt und durch den „alle Mechanismen christlicher Ethik außer Kraft“ gesetzt wurden.
Im vorigen Jahrhundert griff Bertolt Brecht in seinem Drama Mutter Courage und ihre Kinder (1939) eben diese Geschichtsperiode auf, um anhand der Figur der Anna Fierling Fragen nach Moral und Menschlichkeit zu Kriegszeiten zu stellen. Ein Schlüsselerlebnis dabei ist für ihn das Gemetzel des Ersten Weltkriegs (1914 bis 1918) gewesen, bei welchem sowohl die Zivilgesellschaften wie auch die Kirchen Europas komplett versagt hatten.
Doch Krieg und der Kampf um die Vormacht haben eminente Fürsprecher in unserer Geistesgeschichte. So erklärte der griechische Philosoph Heraklit (520 bis 460 v. Chr.) den Krieg zum „Vater aller Dinge“ und laut dem griechischen Geschichtsschreiber Thukydides (454 bis 396 v. Chr.) ist „Frieden […] nur ein Waffenstillstand in einem endlosen Krieg“.
In der Renaissance legitimierte Niccolò Machiavelli (1469 bis1527) in seinem Werk „Der Fürst“ die Eroberungssucht als „eine ganz natürliche und weitverbreitete Eigenschaft“; im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung behauptete Charles Darwin (1809 bis 1882), „alle Natur befindet sich im Krieg miteinander oder mit der äußeren Natur“.
Herbert Spencer (1820 bis 1903) übertrug dies auch auf die menschliche Gesellschaft, indem er 1864 das sozialdarwinistische Axiom vom „Survival of the Fittest“, des „Überleben des Stärksten“, formulierte. Der Mensch sei lediglich ein höher entwickeltes Tier und also dem Gesetz des Dschungels unterworfen. Es obliegt den Stärksten und Intelligentesten, Ordnung in diesen chaotischen Naturzustand zu bringen. Der Neodarwinist Richard Dawkins (geb. 1941) bringt diese materialistische Evolutionstheorie auf den Punkt:
„In einem Universum der blinden physikalischen Kräfte und der genetischen Replikation wird einigen Leuten etwas zustoßen, andere werden Glück haben, und dahinter gibt es keine Logik oder Gerechtigkeit. Das von uns beobachtbare Universum hat genau die Eigenschaften, die zu erwarten sind, wenn ihm vom Grunde her kein Plan, kein Zweck, weder Böse noch Gut, nichts außer blinder, gnadenloser Gleichgültigkeit zu eigen wären.“

Eliten wollen Krieg
Ihren frühen politischen Niederschlag fanden diese Vorstellungen in der Agenda des „Runden Tisches“ von Cecil Rhodes (1853 bis 1902), deren Quintessenz schlicht und ergreifend darin bestand, die gesamte Welt unter angloamerikanische Vorherrschaft zu bringen und auf diese Weise zu befrieden, ganz so, als solle am angloamerikanischen Wesen die Welt genesen. Und auch heute gibt es selbsternannte Herren dieser Welt, die sich für erleuchtet halten, jegliche Transzendenz leugnen und genau zu wissen meinen, wie die Welt zu befrieden sei, beispielsweise durch die zehn „Gebote“ der — mittlerweile gesprengten — Georgia Guidestones, der „Marksteine von Georgia“.
Ausgefeilter und darum noch weit beunruhigender sind die Pläne des Weltwirtschaftsforums (WEF) für Menschheit und Planeten, trachtet man dort doch nach der Erschaffung eines ganz neuen Menschentypus, nachdem man die alte Ordnung durch kreative Zerstörung durch eine neue ersetzt hat.
Es sind die Zöglinge und die Günstlinge dieser Zirkel, die dem ahnungslosen Fußvolk den Marsch blasen: Frieden und Sicherheit gibt es nicht, ohne zuerst Krieg zu führen — Krieg gegen den Kommunismus! Krieg gegen den Hunger! Krieg gegen den Terror! Krieg gegen das Virus! Krieg gegen die Klimaerwärmung!
„Diese Nacheiferei der antiken Vorbilder widerspricht dem christlichen Glauben“) lässt der humanistische Arzt und Schriftsteller François Rabelais (1494 bis 1553) den weisen und friedfertigen König Grandgousier in Gargantua (1534) räsonieren. Und wirft dabei ein helles Licht auf drei wesentliche Aspekte der Frage, weshalb die Menschen derart kriegerisch veranlagt und was die Voraussetzungen für ein friedliches Miteinander sind. So dienen die kampfestollen Helden der Antike eben nicht als gute, nachahmenswerte Vorbilder, da sie dem christlichen Glauben zuwiderhandeln und einen aggressiven Umgang mit ihrem Nächsten verherrlichen, anstatt Nächstenliebe zu üben.
„Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Matthäus 5,9) Selbst in der dunkelsten Periode der deutschen Geschichte greift Dietrich Bonhoeffer diesen Satz aus der Bergpredigt auf und bekräftigt seine Aussage: „Die Jünger Jesu halten Frieden, indem sie lieber selbst leiden, als daß sie einem Anderen Leid tun, sie bewahren Gemeinschaft, wo der Andere sie bricht, sie verzichten auf Selbstbehauptung und halten dem Haß und Unrecht stille. So überwinden sie Böses mit Gutem (Römer 12,21).“

Kirche auf Abwegen
Die großen christlichen Kirchen scheinen die Heilige Schrift allerdings anders zu deuten. Zeugnis davon legen ab die Waffenweihen und Kriegsgebete im Ersten Weltkrieg, das „Schweigen bis hin zur Mittäterschaft“ an den Verbrechen der Nazidiktatur bis hinauf zu Papst Pius XII und – heute – billigende Äußerungen aus beiden großen deutschen Kirchen zu Waffenlieferungen an Kriegsparteien. Doch eine solche Anbiederung an und Absegnung von Tagespolitik und Machtinteressen steht in diametralem Gegensatz zur Bibel:
„Passt euch nicht den Maßstäben dieser Welt an, sondern lasst euch von Gott verändern, damit euer ganzes Denken neu ausgerichtet wird. Nur dann könnt ihr beurteilen, was Gottes Wille ist, was gut und vollkommen ist und was ihm gefällt“ (Römer 12,2).
„Religionen, die für die gegenwärtige und die nachfolgenden Generationen Kriege, Not und Haß beschwören, folgen weder dem ersten noch dem zweiten Gebot — und den anderen ebenfalls nicht“. Es ist Armin Risis großes Verdienst, mit seinem „theistischen Manifest“ die dualistische Spaltung, die die Mehrheit der Menschen als gegeben hinnimmt, aufzuzeigen und Wege zu ihrer Überwindung zu weisen, indem er jeden einzelnen Menschen auffordert, sich seiner inneren Gottesverbindung bewusst zu werden und Gott und die Schöpfung ganzheitlich, wahrhaftig, ergo mit „anderen Augen“ zu sehen.

Frieden ist möglich
Die allermeisten Menschen möchten in Frieden leben. Vielen reicht das sogar schon „Ein bisschen Frieden“, wie Schlagersängerin Nicole 1982 — auf dem Höhepunkt der Kalten Krieges – sang.
Viele meinen, dieser Friede müsste von außen zu ihnen kommen, durch Politiker, die Friedensverträge schließen, oder internationale Zusammenschlüsse wie die Vereinten Nationen oder die Europäische Union. Sie delegieren somit ihre Friedenssehnsucht an scheinbar Mächtigere und verkennen dabei sowohl die interessengeleitete Befangenheit ihrer angeblichen Repräsentanten sowie ihre eigene Wirkmacht.
Tatsächlich beginnt echter Friede in jedem Einzelnen selbst. Kurz vor ihrer Ermordung 1943 in einem deutschen Konzentrationslager schrieb die niederländische Studentin Etty Hillesum dazu Folgendes auf:
„Am Ende haben wir nur eine moralische Pflicht: In uns selbst große Friedensbereiche wieder zu beanspruchen, immer mehr Frieden, und das auf andere abzustrahlen. Und je mehr Frieden in uns ist, umso mehr Frieden wird in unserer unruhigen Welt sein“.
„Give peace a chance“ — John Lennon und Yoko Ono wussten, wie unendlich einfach und wie scheinbar unmöglich und kompliziert das ist. Die allermeisten von uns sind gefangen in einem falschen Bewusstsein, sehen sich in Abhängigkeiten verstrickt, fühlen sich ohnmächtig oder nicht zuständig. Was kann ein Einzelner schon bewirken? Nun, da wären große, historische Vorbilder zu nennen: Jesus Christus, Mohammed, Siddharta Gautama, Caitanya. Sophie und Hans Scholl, Martin Luther King, Nelson Mandela. Doch es gibt auch den sogenannten Maharishi-Effekt, der belegt, wie die Meditation einer kleinen Gruppe sich positiv auf deren Umgebung und Gemeinschaft auswirkt.
Frieden beginnt in jedem selbst und strahlt auf andere aus. „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen zusammenkommen, bin ich in ihrer Mitte.“ (Matthäus 18, 20)
Schaffen wir also Frieden in unseren Herzen und blicken mit Liebe auf die Welt — die Natur, Fauna wie Flora, und unsere Mitmenschen. Und machen wir unsere Herzen weit — gehen mit ausgestreckter Hand auf unseren Nächsten zu und beschenken ihn mit Frieden, Liebe und Licht.

Willy Meyer, www.rubikon.news