Digitales Glück

Auch das Königreich Bhutan setzt auf Digitalisierung und Überwachung

Von Felix Feistel

Bhutan, ein kleines Königreich mitten im Himalaya. Hier, wo das Glück der Menschen und der Schutz der Umwelt über das Wirtschaftswachstum gestellt werden, scheint die Welt noch in Ordnung. Aber der Schein trügt, denn auch dieses abgeschiedene Land ist auf den globalen Zug der Digitalisierung und Überwachung aufgesprungen. Dieses Refugium, von dem so mancher Beobachter glaubte, dass hier noch ein anderer, menschenzentrierter Geist wehe, es ist den totalitären Verlockungen der globalisierten Welt offenbar ebenfalls erlegen.
Das kleine Königreich Bhutan kennen in Deutschland eher wenige Menschen. Eine gewisse Bekanntheit dürfte das Land noch erfahren haben, da dort nicht nur harte wirtschaftliche Daten in Form eines BIP gesammelt werden, sondern vor allem ein Glücksindex als Marker für die Entwicklung herangezogen wird. Ansonsten wissen die meisten Deutschen vermutlich wenig über dieses Land. Es erscheint mit seiner landwirtschaftlich geprägten Wirtschaft beschaulich, aus westlicher Perspektive vielleicht sogar rückständig. Auch als Urlaubsort kommt es den meisten nicht in den Sinn. Mit seiner zerklüfteten Berglandschaft und dem schlecht ausgebauten Straßensystem, das eine Reise beschwerlich macht, ist es auch eher unwegsam. So lebt die mehrheitlich buddhistische Bevölkerung denn auch weit verstreut in den Tälern und Bergen unter ganz unterschiedlichen klimatischen Bedingungen.
Die Menschen dort sind in ihrer Kultur noch tief verwurzelt. Sie feiern ihre traditionellen Feste und tragen oftmals auch noch ihre traditionelle Kleidung. Beeinflusst ist diese Kultur sehr von der Staatsreligion, dem Mahayana Buddhismus, eine der Hauptströmungen buddhistischer Religionen. Zeugnis dessen sind auch die vielen Tempelfestungen, sogenannte Dzong, die Überreste eines langwierigen Krieges zweier rivalisierender, religiöser Strömungen. Dzongkha ist die Amtssprache, welche die Bhutanesen sprechen, die auch über ihre eigene Schrift verfügen. Sie wird vornehmlich von den Menschen in Westbhutan gesprochen und hat insgesamt circa 237.000 Sprecher, ein Teil davon auch in Indien und Nepal. Daneben gibt es in Bhutan jedoch noch mindestens 18 weitere Sprachen. Volkssport Bhutans ist das Bogenschießen, zu dem Sportler aus Bhutan auch bei den olympischen Spielen antreten.
Auf der weltpolitischen Bühne hat das Land wenig zu sagen. Abhängig vom Schutz Indiens und indischer sowie chinesischer Wirtschaft laviert es zwischen beiden Ländern, die auch schon handfeste Grenzkonflikte miteinander haben, hin und her. Das kleine, eher verschlossene Land hat erst im Herbst 2021 zu Deutschland eine diplomatische Beziehung aufgebaut und damit reiht sich Deutschland in eine nur 52 Länder umfassende ein. Zuständig ist derzeit noch die Botschaft in Indien.
Auch politisch entwickelt es sich langsam. Nach schweren Auseinandersetzungen mit der nepalesischen Minderheit in den 1990er Jahren, in deren Zuge diese zu einem großen Teil vertrieben wurde, scheint es nun eher ruhig in dem kleinen Land zu sein. Im Zuge einer Demokratisierung hat es den Weg von einer absoluten Monarchie zu einer konstitutionellen Monarchie nach britischem Vorbild gefunden. Staatsoberhaupt ist König Jigme Khesar Namgyel Wangchuck, der das Amt im Jahr 2006 von seinem Vater Jigme Singye Wangchuck übernahm. Dieser ließ im Jahr 2003 die Verfassung des Landes überarbeiten und setzte so eine demokratische Öffnung in Gang.
Für Naturfreunde ist interessant, dass in der Verfassung der Schutz der Natur festgelegt ist. So müssen 60 Prozent des Landes bewaldet bleiben. Zudem arbeitet das Land auf eine 100-prozentig pestizidfreie, ökologische Landwirtschaft hin. Gleichzeitig wird weniger CO2 ausgestoßen, als wieder gebunden wird. Bhutan ist damit das einzige Land mit negativen CO2-Emissionen.
So weit, so sympathisch. Man könnte fast meinen, Bhutan sei unberührt vom westlichen Fortschrittsstreben geblieben und lebe in der Vergangenheit. Das jedoch ist ein Trugschluss. Bhutan verfügt nicht nur über hoch entwickelte Wasserkraftwerke, welche von China gebaut wurden. Im Zuge der weltweit ausgerufenen Covid-19-Pandemie war Bhutan ein fleißiges Lockdown-Land. Auch bei den Impfungen handelte die Regierung überaus eilig. Trotz bis jetzt lediglich 20 angeblich an Covid-19 Gestorbenen, begann die landesweite Impfkampagne im April 2021. Nur eine Woche dauerte es, bis 85 Prozent der beinahe 800.000 Einwohner, durchgeimpft waren.
Mittlerweile werden bereits Kinder ab 12 Jahren geboostert, eine vierte Spritze wird schon initiiert. Außerdem wurde zwischenzeitlich für alle aus dem Ausland Einreisenden eine 3-wöchige Quarantäne verhängt. Der Tourismus liegt noch mindestens bis Herbst 2022 brach.
Masken- und Testwahn gab es dort genauso wie hierzulande. Grund dafür könnte sein, dass Bhutan schon im Mai 2020 14,8 Millionen US-Dollar von der Weltbank erhielt, um neben dem Klimawandel auch einen Krankheitsausbruch bekämpfen zu können. Schon andere, wenig entwickelte Länder sind von Weltbank und Weltwährungsfonds finanziell erpresst und bestochen worden, damit sie harte Coronarestriktionen einführen.
Doch nicht nur auf diesem Gebiet ist Bhutan für manche Regierungen ein Vorbild. Denn auch die Digitalisierung wird in diesem Land, in dem das Fernsehen und Internet erst 1999 Einzug hielten und in dem 2019 etwa 48 Prozent der Bevölkerung das Internet überhaupt nutzten, mit großen Schritten vorangetrieben. Dafür hat das Ministerium für Information und Kommunikation eigens ein Programm aufgelegt, das Digital Drukyul Flagship Program, das mit 2.557 Milliarden Ngultrum (circa 31 Milliarden Euro) ausgestattet ist. Damit einher geht ein Projekt, das auch in westlichen Staaten mit großem Eifer verfolgt wird: die digitale Identität (Digital ID).
Schon im April 2021, also mit Beginn der Impfkampagne, begannen die Behörden in einer ersten Testphase, biometrische Daten ihrer Bürger zu sammeln. Mittlerweile wurden von 157.143 Menschen die vollständigen Daten gesammelt. Alle Einwohner ab 8 Jahren sollen demnach eine digitale Identität erhalten. Diese soll, so das Ministerium, den Nachweis der Identität gegenüber Behörden, aber auch Banktransaktionen erleichtern.
Wie schon im Westen entsteht hier der Verdacht, dass Digitale Identität, Digitale Zentralbankenwährung und Impfprogramm zur Disziplinierung und der Erzwingung von Gehorsam eingesetzt werden sollen, etwas, das in Bhutan wenig notwendig erscheint, da die meisten Menschen dort den König bewundern und ihm zu vertrauen scheinen.
Alles in allem kann man zumindest sehen, dass Bhutan nicht gänzlich frei von westlichem Einfluss ist. Es hat die Ideologie zumindest teilweise übernommen und arbeitet an denselben, digitalen Herrschaftstechniken.
Bhutan hat dem technologischen Wandel jahrzehntelang widerstanden. Bis heute gibt es im ganzen Land keine einzige Ampel, und der Autoverkehr beschränkt sich auf ein Minimum. Nun scheint es eine Art Radikaltechnologisierung, inklusive Digitalcampus und zunehmender Industrialisierung, durchzumachen.
Das Ergebnis ist, dass nun auch das einst ländlich geprägte, naturnahe Land denselben Problemen gegenübersteht wie der Rest der schon vollends industrialisierten und digitalisierten Welt. Während immer mehr Industrie aus dem Boden sprießt, nimmt die Umweltzerstörung zu. Plastikmüll, etwas, das den Einwohnern von Bhutan bis vor Kurzem unbekannt war, verschmutzt nun auch hier zunehmend die Umwelt. Kinder und Jugendliche verbringen ihre Zeit an Computern und Handys. Doch glücklicher werden sie darüber nicht.

Felix Feistel
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