Der Schamanismus, die Guides und ich

Der damals noch makellose Frank Natale organisierte Anfang der 90er Jahre eine europäische Tournee von Mitgliedern der brasilianischen Santo Daime Kirche. Die Nachrichten darüber machten mich als jungen, freien Mitarbeiter des Connection Magazins und gleichzeitigen Herausgeber eines neuen, regionalen Anzeigenmagazins schon länger neugierig. Irgendwann packte mich die spontane, tatfreudige Connection-Redakteurin dann ins Auto und wir fuhren nach Stuttgart zum gemeinsamen Ayahuasca-Wochenende. Frank Natale war nicht persönlich anwesend, weshalb wir uns einfach den fremdsprachigen Indianern und der Gruppenenergie anvertrauten. Frauen und Männer wurden im Raum voneinander getrennt und vollführten schon bald einen rituellen Tanz. Dann ging es los. Das Gebräu schmeckte scheußlich und die Toiletten waren danach meistens besetzt. Am zweiten Abend wurde die Dosierung noch ein wenig stärker. So durchstanden wir unsere intensiven Erfahrungen und erzählten uns am Ende des dritten Tages davon. Kaum waren wieder zurück in der Connection-Redaktion, machte sich die Kollegin an die Arbeit für ihren exklusiven Artikel aus dem gemeinsamen schamanischen Wochenende. Doch siehe da, sie war nicht die Einzige, die sofort nach dem Ayahuasca-Erlebnis ihre Erkenntnisse und Erfahrungen in die Tasten schlug. Im fernen Hamburg, in der Redaktion des Spiegels nämlich, machte sich ebenfalls jemand an die Arbeit. Verdeckt eingeschleust, nur das Negative betonend, reißerisch in Wort und Bild. Es war die letzte legale Ayahuasca-Session in Deutschland gewesen.
Der Drang nach grenzüberschreitenden Erfahrungen liegt vermutlich in der Natur eines jeden Menschens. Bei manchen kommt’s etwas mehr zum Vorschein, bei anderen wieder weniger. Viele bleiben auf der eigentlichen Suche nach Glück, Erweiterung des Bewusstseins und Ekstase bei Drogen oder dem Alkohol hängen. Besonders bei Letzterem sind die Grenzen zur Selbstzerstörung äußerst fließend. Mein Vater schenkte sich beispielsweise gern jeden Abend nach der Arbeit ein Erdinger Weißbier ein, war aber meilenweit entfernt von den Abgründen des Alkoholmissbrauchs. Anderen Personen, mit entsprechendem Suchtpotential und einer schwächeren Konstitution, konnte so ein tägliches Bier bereits die Türen zum Alkoholismus öffnen. Mein Ding war das nie. Um Bierzelte mache ich gewöhnlich einen großen Bogen. Dieser Alkohol-Rausch ist ja auch wirklich nichts Besonderes mit dem lästigen Schwindel und dem Gekotze und dem schlimmen Kater am nächsten Tag. Als 17-Jähriger gönnte ich mir noch eine Alkoholvergiftung, dann war endgültig Schluss mit den Resten jeglicher Alkoholneigung. Andere Dimensionen wollten schließlich kennengelernt und erforscht werden. Obwohl, ein paar Gläser guten Chianti mit der Geliebten und einem Feuer im Kamin, können durchaus für eine nette, aphrodisierende Stimmung sorgen. Alles zu seiner Zeit eben.
Eine grenzüberschreitende Erfahrung hat auch ihre Realität. Genau wie der ehrenwerte Wolf Dieter Storl es so schön erklärt, ist die andere Realität auch eine Wirklichkeit, nur eben anders. Und genau darin liegt vermutlich der Kern des Schamanentums. Jedenfalls nicht in den Träumereien von tausendundeiner Fantasiereise. Obwohl der Unterhaltungswert solcher geführten Reisen in die Anders-Welt gewiss auch nicht so zu verachten ist. In irgendeinem schönen Film taucht irgendwann die Frage auf: „Wo bist Du?“ mit der Antwort: „Immer mehr hier und immer weniger dort.“ Und genau „hier“ spielt es sich ab. Jenseits jeder noch so fantastischen Fantasiereise. Die erweiterte Realität findet im Hier und Jetzt und jenseits unserer ständigen Gedankenmühle statt. Ob man nun durch Drogen, durch den Guru, durch die Liebe, durch kreatives Schaffen oder das Verschmelzen mit der Natur in dieses glückselige Jetzt gelangt, ist völlig egal. Trotzdem ist man deshalb aber noch lange kein Schamane, wenn ich den Herrn Storl an dieser Stelle richtig verstehe. Da gehört schon noch ein wenig mehr dazu. Der wirkliche Schamane lebt schließlich ständig in diesem Wechsel von Alltagsbewusstsein und seiner Verbindung zur anderen Welt mit ihren Geistwesen, Naturwesen, Heilkräften usw. Ich persönlich fühlte mich schon seit jungen Jahren dem Schamanismus mit seinen Ritualen, Initiationen und den Krafttieren hingezogen, ohne jemals in Betracht zu ziehen, ein richtiger Schamane zu werden. Die Versuchung ist ja groß, wenn man Wassermann, etwas größenwahnsinnig, ein wenig visionär und noch dazu medial veranlagt ist. So habe ich in jungen Jahren immer wieder mal dran geschnuppert, aber mich nie ganz eingelassen. Die Astrologin meinte, mir würde etwas mehr Erdung gut tun, wovon es ja potentiell im Schamanismus mehr als genug gibt, aber mich zog es erst mal unwiderstehlich zu den Lichtwesen hin. Die Jahre darauf verbrachte ich mit Channeling und Energiearbeit mit den sogenannten Guides. Es sollte die intensivste und erfüllendste Zeit meines bisherigen Lebens werden.
Mitten in diese erste Begeisterung und diese unwiderstehlichen Inspirationen, erschien das erste Plejaden-Buch: „Boten des neuen Morgens“ (Bringers Of The Dawn) auf dem deutschen Markt. Während der Lektüre dieses von Wesen aus dem Sternbild der Plejadier, an das Medium Barbara Marciniak, durchgegebenen Materials, befand ich mich energetisch kontinuierlich etwa 10 Meter über der Erde. Und zwar hauptsächlich durch die Frequenzen und Schwingungen zwischen den Zeilen. Das fühlte sich ja fast identisch an wie in den Channelings und Sessions mit den Guides. Etwas annähernd Vergleichbares hatte ich bislang nur als 18-Jähriger in der ersten, jungfräulichen Lektüre von Osho-Büchern erlebt. Die Besucher kamen dann – weit mehr als erwartet – in Form von Klienten und Kursteilnehmern in meinen darauf folgenden Angeboten über „Innere Führung“ und „Heilung durch Energiearbeit mit Guides“ usw. Aus der Sannyas-Szene kommend und plötzlich mit dieser wunderbaren Licht-Arbeit war ich von heute auf morgen ein gefragtes Medium. Ich liebte diesen Job und die Guides arbeiteten perfekt durch mich in Form von Durchsagen und dem Auflösen von karmischen Beschränkungen etc. Wir machten Gruppen mit den Guides in der Toscana, Österreich, Berlin, Ibiza und es lief alles gut geführt, geschmeidig und wie von selbst. Doch die nötige Erdung und der unvermeidliche, saturnische Schatten holten mich schließlich irgendwann trotzdem ein. Mein früherer spiritueller Lehrer Devaprem, sagte mal zu mir, dass mein Guru das Leben sei und deshalb kapitulierte ich schließlich immer wieder vor so manchen Kurven, Spiralen und Höhen und Tiefen meines Lebens in den darauf folgenden Jahren. Die geistige Führung war ja ohnehin immer aktiv und die medialen Fähigkeiten drückten sich u. a. über die Arbeit mit dem Pendel und meiner Intuition aus. Das Schamanische kam auch wieder näher. Bei einem Vision Quest verbrachte ich zehn Tage am Stück draußen in den Bergen und befand mich alsbald im sprichwörtlichen Bann der sinnlichen Natur. Das war sehr kraftvoll. Dort bekam ich auch wieder einen tieferen Bezug zu den Krafttieren. Irgendwann nach einer Scheidung meldeten sich dann auch die Plejadier wieder. Seitdem verbinde ich mich wieder mehr mit diesen verschiedenen Dimensionen und versuche, sie in mein tägliches Leben zu integrieren. Wie in der tantrischen Tradition finde ich auch hier die angenehme Schwingung der Mühelosigkeit und des kraftvollen, individuellen, kreativen Seins. Und gleichzeitig die Herausforderung, diese unterschiedlichen Seiten zu leben und auszudrücken. So gut es eben geht.
Die Corona Zeit von 2020 bis 2022 erlebte ich als eine Phase des Rückzugs und der radikalen Zuwendung an mein eigenes Bauchgefühl. Ganz im Sinne des guten, alten, sturen Widerstands gegen alles was sich nicht richtig anfühlt. Und davon gab es in dieser Zeit eine ganze Menge. Als der ganze Spuk bereits so gut wie vorüber war, holte mich die Seuche doch noch ein und legte mich für ganze zehn Wochen flach. Körperlich und psychisch brauchte ich dann noch den Rest des Jahres, um wieder einigermaßen in gewohnter Balance und an der Quelle meiner inneren und äußeren Freuden zu sein. Heute sehe ich die gesamten Erfahrungen aus dieser Zeit als einen Reifungsprozess, den mir niemals eine schamanische Ausbildung oder das intensivste Seminar hätten bieten können. Nachdem diese interessante Art von Stillstand wieder vollständig ausgeklungen war, kamen auch wieder tolle Ideen und die entsprechende kreative Schaffensfreude. Unter anderem die Lust, ein interessantes Event zu organisieren und zu gestalten, wo alle diese schamanischen, persönlichen und übernatürlichen Dinge ihren Platz haben dürfen.
Mit meiner Chow ChowHündin Bela gehe ich inzwischen jeden Tag zwei bis dreimal spazieren und genieße das Glück, in einer der schönsten Gegenden dieses Landes zu leben. Auf solchen Wanderungen lasse ich mich neben dem Naturerlebnis gerne auf neue, wilde Impulse ein. Der Schamanismus, meine Guides und ich sind mittlerweile ein recht gutes Team geworden.

Vismay Georg Huber,
www.aura-magazin.com,
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