Der Körper als spirituelles Fundament

Unsere Körper und ihre Lebensenergien suggerieren uns viel über die Natur des Lebens. Alleine eine kleine Veränderung in der Körperhaltung kann unseren emotionalen Zustand und unsere Wahrnehmungsklarheit unmittelbar beeinflussen. Verhaltenspsychologen haben gezeigt, dass ein warmer Tee die Menschen in unserer Umgebung sympathischer erscheinen läßt. Wenn wir uns mit Anderen verbunden fühlen, erhöht sich unsere Körpertemperatur, aber wenn wir auf gesunde Weise unsere Körpertemperatur erhöhen, kann unser Gehirn nicht unterscheiden, dass das vom Tee kommt. Tanztherapie hat sich ein einer vergleichenden Studie als überragend effektiv bei Depressionen gezeigt. Depressive Menschen tanzen nicht, wenn man tanzt, suggeriert man dem Körper, dass man alles andere als depressiv ist. Wie wir uns körperlich verhalten und fühlen, prägt unsere Wahrnehmung vom Leben allgemein. Ein Körper mit einer gesunden Selbstorganisation, durch den Lebensenergie ungehindert fließt und verfügbar ist, kann ein gutes Fundament für ein sinnerfülltes Leben und für spirituelle Erkenntnis sein. So wie ein gutes Fundament in einem Haus uns ermöglicht, darauf zu stehen, zu gehen, den wichtigen Dingen unseres Lebens nachzugehen. Doch wenn wir ständig damit beschäftigt sind, den Boden in unserem Haus zu reparieren, stimmt die Relation nicht mehr, denn so viel Aufmerksamkeit sollte ein Boden nicht brauchen. Heutzutage ist der Körper, der eigentlich ein solides Fundament für ein Leben sein sollte, dass einem tieferen Sinn gewidmet ist, für die meisten Menschen ein dauerhafter Problembereich. Wir hatten noch nie so viele chronische und degenerative Krankheiten und gleichzeitig einen solchen Körperkult in Bezug auf das Aussehen oder das Streben nach Selbstoptimierung. Wenn die vielen Dinge, die Menschen heute für ihren Körper, ihre Gesundheit und Lebensenergie, wirklich effektiv wären, würde irgendwann der Punkt kommen, an dem eine sehr gute Vitalität und körperliche Lebensfreude einfach recht konstante Basiszustände sind, mit Schwankungen natürlich, aber frei von einem grundsätzlichen Gefühl dieser übergroßen Fragilität, die so viele Menschen heute mit ihrem Körper erleben.

Die innere Kampfkunst als Gesundheitspraxis

In den spirituellen Traditionen Asiens waren Kampfkünste oft ein integraler Bestandteil einer spirituellen Praxis. Um dies zu verstehen, müssen innere und äußere Kraft und damit innere Kampfkunst und das, was heute weitgehend als Kampfsport bezeichnet wird, unterschieden werden. Äußere Kraft ist die Fähigkeit, Widerstand mit Kraft zu überwinden. Auf der körperlichen Ebene ist diese Fähigkeit die typische athletische Körperkraft, die von Talent, Muskelmasse und anderen Faktoren abhängt und die im Alter deutlich abnimmt. Innere Kraft ist die Fähigkeit, eine Aufgabe, auch eine körperliche Kraftleistung, so auszuführen, dass immer weniger Widerstand überwunden werden muss. Innere Kraft ist nicht nur eine charakterliche oder seelische Eigenschaft, auch auf der körperlichen Ebene sehr real. Innere Kraft kann ein Leben lang kultiviert werden und im Alter weiter zunehmen. Wenn eine solche Übungspraxis Bestandteil des Lebens wird, kann der Mensch immer besser durch die auf ihn einwirkenden Naturkräfte, wie Erdmagnetfeld, die elektrischen Energien der Atmosphäre, Sonne, Mond, die Energie in der Atemluft etc. belebt werden. Das gefühlte Verhältnis von Problemen im Leben zu Ressourcen, die man hat, um Problemen zu begegnen, kann sich durch eine solche Praxis ganz erheblich verändern. Innere Kampfkunst hat dabei einen besonderen Aspekt, der sie von anderen Übungssystemen unterscheidet. Wenn wir Yoga, Qigong oder Meditation praktizieren, suchen wir uns ruhige, entspannende äußere Umstände. Die Methoden der inneren Kampfkunst wurden daran erprobt, dass sie sich bewähren mussten, wenn man körperlich angegriffen wird, also in der stressreichsten Situation, die man sich vorstellen kann. Wenn mein Fluss an Lebensenergie, meine Erdung und klare Wahrnehmung auch dann funktionieren, wenn ein wütender Berserker auf mich losgeht, muss mein Übungssystem, dass mir das ermöglicht, eine besondere Tiefe haben. Und da kaum eine reale Situation im täglichen Leben ein Stressreiz ist wie ein körperlicher Angriff ist eine Übungspraxis, die für viel stärkeren Stress trainiert, sehr gut in der Wirkung übertragbar auf den Alltag.

Erfahrungen mit innerer Kraft

Meine eigene Suche nach Wegen der inneren Kraft für den Körper begann im Alter von 13 Jahren, als ein Lehrer der indonesischen Kampfkunst Pentjak Silat mir Übungen zeigte, die mir bei einer beginnenden Spondylose halfen, für die ich von Ärzten keine Aussicht auf Besserung bekam. Viele Jahre später lernte ich auf dem Emei Berg in China, der ein Pilgerort für Buddhisten und ein Rückzugsort für Taoisten ist. Emei Wu Xing kennen. Wu Xing bedeutet Leere und Form, ein häufiges Thema in den östlichen Traditionen, die ein Pulsieren aller Lebens aus der großen Leere des Unmanifesten beschreiben. Emei Wu Xing enthält einige Besonderheiten, die die Kultivierung von Lebensenergie für Menschen in der heutigen Zeit auf einem hohen Niveau realistisch macht. Ein Problem mit traditionellen Methoden besteht oft darin, dass es in früheren Zeiten kaum Menschen gab, die einen Beruf und eine Familie hatten und in ihrer begrenzten Freizeit eine spirituelle oder körperliche Übungspraxis durchgeführt habe. In den asiatischen Kulturen gingen Menschen, die ein solches System lernen wollten, in die Berge, in ein Kloster, einen Ashram und widmeten sich dieser Praxis zumindest für mehrere Jahre in Vollzeit. Das kann man z.B. an den opulenten Visualisationen und Ritualen erkennen, die im tibetischen Buddhismus den Meditationspraktiken beigefügt wurden – Mönche und Nonnen hatten eben Zeit dafür. Im Bereich der Meditation wurden in den letzten Jahrzehnten viele Ansätze entwickelt, die das wirklich Essenzielle einer Tradition bewahren und verfügbar machen, so dass es auch für Menschen praktikabel ist, die nach der Meditation die Kinder zur Schule bringen und dann ins Büro gehen.
In Bezug auf die Kultivierung von Lebensenergie für den Körper hat das Emei Wu Xing System bereits in seiner Entstehung zwischen dem 9 – 11. Jahrhundert einen solchen Destillationsprozess durchlaufen. Die Idee dahinter war die, dass auch Menschen, die nicht eine vollständige innere Kampfkunst erlernen können, von den essenziellen Übungen sehr gut profitieren können. Nach meinen Erfahrungen mit vielen verschiedenen Übungssystemen aus dem Yoga, Qigong, Neigong und mehreren inneren Kampfkünsten, die natürlich alle ihre eigenen sehr positiven Wirkungen haben, sehe ich Emei Wu Xing als die essenziellste Praxis für ein solides Fundament des Körpers an, die ich kenne.

Qi und Jing

Qi ist ein Ausdruck für Lebensenergie, den heute fast jeder kennt. Nach den Entdeckungen von Dr. Reinhold Voll ist Qi – Fluss in einem Meridian ein Fluss freier Elektronen. Interessanterweise bedeutet Qi in der wörtlichen Übersetzung „mysteriös“ oder „seltsam“. Was kaum beachtet wird, ist die Tatsache, dass in der Beschreibung von Qi in der TCM und in den taoistischen Übungssystemen Jing als Vorstufe beschrieben wird, aus der Qi entsteht. Jing entspricht der frühen Entwicklung nach der Zeugung, wenn wir ein sehr vitaler Zellhaufen ohne spezifische Organe oder Körperteile sind. Aus dieser unspezifischen Lebendigkeit entsteht funktionales Leben. Stammzellen sind eine andere Entsprechung von Jing, Zellen, die das Potential haben, jede spezifische Zelle zu werden. Wir brauchen spezifische Zellen, die Qi entsprechen, aber eben auch die Vorstufe, die Stammzellen. Im Emei Wu Xing gibt es einen besonderen Schwerpunkt der Entwicklung und Vermehrung von Jing. Oft hört man aus der TCM oder von Qigong – Experten, dass man mit Jing geboren wird, aber es nicht kultivieren kann. Doch das ist zutreffend und die Effekte einer aktiven Jing – Kultivierung sind sehr körperlich und eindeutig. Wer lernt, Jing zu kultivieren, erlebt eine Verdichtung von Lebensenergie im eigenen Körper, die mit Qigong, Yoga, Pranayama und anderen Methoden einfach nicht erlebt wird. Auf diesem Fundament werden alle anderen Methoden, ob Übungen oder auch Heilverfahren, die Qi nutzen, wesentlich effektiver. Der Körper bekommt ein so klar spürbares Fundament an Erdung, Kraft, Stabilität und Regenerationsfähigkeit, dass ein gutes Zusammenspiel von Körper und Geist immer öfter zu einer natürlichen Selbstverständlichkeit wird. Wir erkennen dann auch, dass viel von der Anstrengung und dem Stress unserer Lebenserfahrung einfach eine Folge eines mangelnden energetischen Fundaments war. Leben kann in der Tat von sehr viel mehr Leichtigkeit geprägt sein, als es sich die meisten Menschen vorstellen können. Ein starkes körperliches Fundament ist dafür eine sehr gute Voraussetzung.

Christian Opitz,
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