Von Wilfried Nelles
Seit Beginn der Coronakrise lässt mir eine Frage keine Ruhe: Gibt es eine Logik in all dem Unlogischen? Eine Wahrheit in all den Lügen? Gewiss gibt es viele Einzellogiken, die aus der Sicht eines jeweiligen Interesses sinnvoll erscheinen mögen: die Logik der Angst, und zwar nicht nur der von „oben“ inszenierten oder geschürten, sondern auch die der ganz natürlichen menschlichen Angst vor Krankheit und Tod und davor, aus dem sozialen Konsens ausgeschlossen zu werden; auch die Logik der Angst der Regierenden, etwas falsch zu machen und auf Sicherheit zu gehen und deren Übertragung auf die Bevölkerung, um besser herrschen („durchregieren“) zu können; die Logik der Medien, mit Katastrophenszenarien Aufmerksamkeit und Auflagen zu erzielen; die Logik der unermesslichen Gewinne großer Konzerne und des Ausbaus ökonomischer Machtpositionen und der vielen einzelnen finanziellen Interessen, die im Spiel sind; die Logik der beruflichen Karrieren von Wissenschaftlern, Politikern, Medienleuten; die Logik einer Politik, die sich verrannt hat und jetzt nicht mehr zurück kann, ohne ihr totales Scheitern einzugestehen, oder die eines kaputtgesparten und überbürokratisierten Gesundheitssystems, und vieles andere mehr.
Dies alles erklärt jedoch nicht den fast weltweiten, zumindest das westliche Europa und Amerika beherrschenden Einklang, der in dieser Krise zu beobachten ist. So groß die Macht des Geldes auch sein mag: dass nicht nur einzelne Zeitungen oder der öffentlich-rechtliche Rundfunk, sondern praktisch alle Print-, Fernseh- und Rundfunkmedien von einem Tag auf den anderen in der gesamten westlichen Welt auf Pandemiekurs schalten und fast alle Journalisten, die sich sonst vor keinem Gefecht scheuen, dabei brav mitmachen, ist mit der Macht dieser Interessen allein nicht zu erklären. Dasselbe gilt für das Handeln der Politiker, die, wenn man die so genannten „rechtspopulistischen“ Parteien einmal ausnimmt, alle gleich reagieren. Dafür gibt es nur eine Erklärung: Diese Interessen und / oder das Virus selbst müssen auf einen gemeinsamen wunden Punkt, eine allen gemeinsame Wunde oder Geisteshaltung treffen, die diesen gleichschritthaften Reflex quasi automatisch auslöst.
Als ich am 1. September 2021 morgens zum Bäcker ging, lagen auf der Theke einige in altdeutscher Schrift bedruckte Blätter. Ich las die Überschrift und wurde neugierig: „Psalm 91“ stand da, und darunter der Text:
„Wer im Schutz des Höchsten wohnt und ruht, im Schatten des Allmächtigen, der sagt zum Herrn: ‘Du bist für mich Zuflucht und Burg, mein Gott, dem ich vertraue.’ Er rettet dich aus der Schlinge des Jägers und aus allem Verderben. Er beschirmt dich mit seinen Flügeln, unter seinen Schwingen findest du Zuflucht. Schild und Schutz ist dir seine Treue. Du brauchst dich vor dem Schrecken der Nacht nicht zu fürchten, noch vor dem Pfeil, der am Tag dahinfliegt, nicht vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die wütet am Mittag …“
Das ist also das „Corona-Schutzkonzept“ des Bäckers Heinen, dachte ich und nahm ein Blatt mit nach Hause. In dieser Bäckerei trägt kein Mitarbeiter eine Maske und es gibt auch keine Plastikwände. Als ich den Text beim Frühstück ganz las und auf mich wirken ließ, merkte ich, wie eine tiefe Ruhe mich erfasste. Es stimmte, was dort stand. Wer in Gott ruht, ist geschützt. Natürlich nicht davor, sich mit Corona zu infizieren, genauso wie nicht vor irgendeiner anderen Art von Krankheit, einem Autounfall oder dem Tod, wie immer er kommen mag. Er ist geschützt, weil er nicht mit diesem Körper, diesem irdischen Leben, dem Materiellen, identifiziert ist. Ob dies die Verfasser dieses Psalms gemeint und die Betenden es so verstanden haben, ist eine andere Frage. Und noch einmal eine andere Frage ist es, ob der moderne Mensch, ob wir Heutigen mit solchen Worten noch etwas anfangen können, ob es uns noch möglich ist, in Gott zu ruhen und so dieses Schutzes teilhaftig zu werden.
Das Licht ging Weihnachten 2020 nicht von der Geburt des göttlichen Kindes und der darin liegenden Botschaft des Ewigen Lebens aus, sondern von der Entdeckung eines angeblich schützenden Impfstoffes, den die Frankfurter Allgemeine Zeitung einen „genialen Schachzug der Menschheit“ und die deutsche Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung einen „Triumph der Wissenschaft“ nannte. Die implizite, aber dennoch ganz deutliche Botschaft damals lautete: WIR besiegen den Tod, und zwar ganz im Diesseits. Wir stehen zwar erst am Anfang, aber die Entdeckung der genetischen Impfstoffe zeigt es: an Corona wird bald niemand mehr sterben, und was für dieses „bösartige Virus“ gilt, wird in nicht allzu ferner Zukunft für alle Krankheiten gelten: Wir werden sie besiegen, und wir werden auch den Tod besiegen.
Ich erspare mir nähere Ausführungen darüber, dass „wir“ nichts besiegt haben und dass die Impfungen sich immer mehr als leeres Versprechen entpuppen. Dass sich in den Ländern mit hoher Impfquote mindestens genauso viele Geimpfte wie Ungeimpfte infizieren (auch in relativen, also die Zahl der Menschen in der jeweiligen Gruppe berücksichtigenden, Zahlen), so dass zehn Monate nach Beginn der Impfkampagne ein „Booster“, also eine erneute Impfung, herhalten muss, die dann mindestens alle sechs – wenn nicht alle drei – Monate erneuert werden soll, sagt alles über den angeblich 99-prozentigen Schutz, der uns Anfang des Jahres versprochen wurde (und an den fast alle Geimpften immer noch glauben, nur dass es jetzt der „Booster“ richten soll). Was noch vor einem halben Jahr als wissenschaftliche Wahrheit verkauft wurde, wird Stück für Stück einkassiert – aber ganz klammheimlich. Wer sich umfassend und ernsthaft über dieses Thema informiert, weiß dies ohnehin, und die anderen wollen es nicht wissen.
An jenem Morgen sorgte noch etwas anderes als das Ruhen in Gott für eine tiefe Entspannung in mir: Ich begann zu verstehen, worum es bei Corona im Innersten geht. Ich sah die Corona-Geschichte plötzlich im Zusammenhang mit den anderen modernen Themen, die genauso religiös aufgeladen sind und genauso missionarisch und irrational gepredigt werden wie die Impfung: Gender, künstliches Geschlecht, künstliche Befruchtung, Diversity, Sexismus, Rassismus, dazu der rasant fortschreitende Einsatz von Algorithmen und künstlicher Intelligenz und die damit einhergehende Ersetzung des Menschen durch Maschinen – und zwar nicht nur, wie bisher, der menschlichen Muskelkraft, also des Körpers, sondern des Denkens, also des menschlichen Geistes. Inzwischen – besonders in Bezug auf Corona – werden diese Maschinen sogar schon zu moralischen Instanzen ermächtigt, die entscheiden, was man sagen darf und was nicht. Um es mit einem apokalyptischen Titel von Pink Floyd zu sagen: Welcome to the Machine.
Auf dem Blatt mit dem Psalm war neben der Überschrift noch ein kleines Bild, das mir anfangs gar nicht aufgefallen war. Dort kniet ein Ritter in voller Rüstung, das Schwert vor sich auf den Boden gestellt, und neigt den Kopf in einer Haltung tiefster Hingabe – ein Kreuzritter, der sein Schwert und sein Leben Gott weiht, um für ihn in den Heiligen Krieg zu ziehen. Plötzlich sah ich: Darum geht es, wir sind in einem Heiligen Krieg. Es geht nicht um Gesundheit und um vernünftigen Schutz, auch nicht um Politik oder um Karriere, Ruhm und Ehre, noch nicht einmal um Macht und Geld – es geht, auch wenn dies alles wichtige Motive der handelnden Personen, Firmen und Institutionen sind, um Religion. Beim Kampf gegen Corona handelt es sich um einen Gottesdienst. Ob Drosten, Merkel, Lauterbach, ob Macron, Johnson, Biden, ob diese oder jene Zeitung, Fernsehanstalt oder andere „progressive“ Medien: Sie sind Kreuzritter in einem Krieg, den die Menschheit schon lange heimlich führt und der jetzt von der kalten in die heiße Phase geht, der jetzt offen ausgebrochen ist.
Die Metapher vom Krieg gegen das Virus, die dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und einigen anderen am Anfang herausgerutscht ist, ist ganz wörtlich zu nehmen. Es wird zwar nicht geschossen, es ist noch kein „heißer“ Krieg, aber kalt ist er auch nicht mehr. Es ist ein verdeckter, ein unerkannter Krieg, und er wird mit ganz anderen Mitteln geführt als gewöhnliche Kriege. Es ist auch nicht der Krieg gegen ein Virus oder eine besonders gefährliche Krankheit. Das alles – Gesundheitsschutz, Sorge um das Gesundheitssystem, Jagd nach wirtschaftlichem Profit oder nach wissenschaftlichem Ruhm, Karrierestreben, gehorsames Ausführen von Befehlen – sind zwar subjektiv leitende Motive der Akteure, aber dahinter wirkt etwas anderes, das den großen Gleichschritt erst möglich macht.
Im Sinne dieses Krieges machen selbst die unsinnigsten Corona-Maßnahmen plötzlich Sinn, wird das scheinbar ganz Unlogische plötzlich logisch, vor allem, da es ein ganz unbewusster Krieg ist. Auch die Unversöhnlichkeit, mit der Ungläubige verunglimpft und ausgeschlossen werden, die Pervertierung von Wissenschaft zum Dogma, die Verwischung von Lüge und Wahrheit und vieles andere mehr ergeben in einem Heiligen Krieg einen logischen Sinn. Wer für Gott kämpft, hat immer Recht, und wer heutzutage für das Überleben ist, ebenfalls – egal, welche Art von Leben das sein mag. Hauptsache, niemand stirbt.
Die Frage ist: Wer ist der Feind in diesem Krieg und, da es ein „heiliger“, ein Religionskrieg ist: welchem Gott dient er und wer sind die Kreuzritter? Um diese Fragen zu klären, muss man über Corona hinausblicken. Der Feind ist viel größer und vielfältiger als dieses Virus. Es geht um die menschliche Natur beziehungsweise den natürlichen Menschen, um dessen Tötung und Ersetzung durch einen künstlichen Menschen. Die Natur, zu der untrennbar auch die Hinfälligkeit und das Sterben gehören, die Natur, die immer noch um vieles mächtiger ist als wir und sich dem menschlichen Willen noch nicht ganz untergeordnet hat, die wir noch nicht ganz im Griff haben, diese Natur ist der eigentliche Feind.
Im Versuch, einen Schutzwall gegen die Natur oder gegen die als gefährlich oder schlecht angesehenen Aspekte der Natur zu errichten, steckt ein schwerer, am Ende sogar tödlicher Denkfehler. Die Natur ist nicht nur um uns herum, sie ist nicht nur außen, sondern wir sind Natur. Das bedeutet: Was wir bekämpfen, sind wir selbst. Wir töten uns selbst. Ob dies ein physischer Tod ist oder nicht, ist am Ende egal. Wenn Kinder demnächst massenhaft in vitro mit einer Spritze „gezeugt“ und in künstlichen Behältern herangezüchtet werden, wenn unser Immunsystem sich an regelmäßige Injektionen gewöhnt haben und dann wie ein Junkie davon abhängig sein wird, wenn unser körperliches und dann auch mentales Funktionieren an Apparaten und Implantaten hängt, Menschen sich von Maschinen das Denken und Handeln abnehmen lassen, wenn die Alexas und Siris in unserem Gehirn sitzen und lautlos ihre Anweisungen geben und wir ihnen folgen, ohne zu merken, dass wir ihnen folgen, wenn die große Mehrzahl der Menschen dies auch noch gut findet, weil ihnen dann auch noch die lästige und schwierige Aufgabe des Denkens abgenommen wird, dann ist die Menschheit Geschichte. Dann werden wir vielleicht überleben, aber keine Menschen mehr sein.
Zu einem Kreuzzug und einer Religion gehört ein Gott, dem man dient. Bei den Gotteskriegern des Islamischen Staates, den Taliban und anderen, die vom Westen als religiöse Krieger und Fanatiker angesehen werden, ist es noch der alte Gott, den sie Allah nennen. Der hat bei uns längst ausgedient. Nietzsche hat ihn vor 150 Jahren für tot erklärt und hatte Recht damit, dieser Gott ist tot. Offenbar kann der Mensch aber ohne einen Gott nicht leben. Alle Attribute, die dem alten Gott einst zugeschrieben wurden, reklamiert der „aufgeklärte“ westliche Geist nun für sich selbst: Schöpfertum, Allmacht, Überwindung des Todes, sogar einen absoluten Wahrheitsanspruch für die von ihm geschaffene Wissenschaft beziehungsweise deren regierungsamtliche Interpretation. Dass damit das Wesen der Wissenschaft auf den Kopf gestellt wird, interessiert offenbar niemanden mehr. Wissenschaftliche Theorien und Befunde sind immer bezweifelbar und – ebenso wie Politik – nie alternativlos. Der Zweifel, das Grundprinzip der Wissenschaft, hat jedoch ausgedient. Selbst Universitäten, an denen einst das Zweifeln, das In-Frage-Stellen auch heiligster „Wahrheiten“ gelehrt wurde, sind inzwischen bei den oben genannten Themen zu Glaubenseinrichtungen – sprich: Kirchen – geworden. Die Stelle der Priester, die den einfachen Menschen die Wahrheit verkündeten, haben die Journalisten der Leit- und Staatsmedien übernommen. Sie bedienen auch den Pranger, an den alle Häretiker gestellt werden.
Was steckt dahinter? Wie sind wir dahin gekommen? Man nähert sich der Antwort, wenn man auf den Anfang der Coronakrise im Frühjahr 2020 schaut: Es ist die Angst vor dem Tod. Diese Angst hat das ganze absurde Corona-Theater erst möglich gemacht. Und diese Angst hat einen sehr, sehr tiefen Grund, nämlich den schon angesprochenen Tod Gottes. Mit der Dekonstruktion des alten religiösen Weltbildes durch die Aufklärung und die Moderne ist der Tod zum absoluten Gegensatz, zum Vernichter des Lebens geworden. Das war er früher nicht, denn das Leben – oder irgendeine Art von Existenz – hörte mit dem Tod nicht auf. Er war nur ein Übergang – nichts Schönes, nichts, was man sich wünschte, sicherlich ein schmerzhafter Einschnitt, der auch Angst machte, weil man geliebte Menschen verliert und das Danach nicht kennt, aber doch nicht das absolute Ende. Genau dies ist er aber für den modernen, sich aufgeklärt dünkenden Menschen: das absolute und unwiderrufliche Ende.
Das können wir, so meine These, nicht aushalten. Vielleicht einige wenige, aber nicht die Masse. Wir wollen weiterleben, koste es, was es wolle. Und da es kein Weiterleben im Jenseits mehr gibt, muss es im Diesseits sein. Dieses Leben darf nicht enden. Und genau da funkt uns unsere Natur dazwischen. Von außen (Viren, Krankheiten, Klimawandel, „Naturkatastrophen“ etc.) wie von innen (Sterblichkeit auch ohne Krankheit und äußere Gewalt). Also müssen wir sie abschaffen. Überleben, „ewig“ leben können wir nur als künstliche Wesen, als Plastikblumen, die nie verwelken, oder als virtuelle Kopien in einer virtuellen Welt. Das „ewige“ Leben auf Erden kann nur ein totes Leben sein. Im Kleinen haben die Lockdowns uns das vorgeführt: Um nicht zu sterben, darf man sich nicht mehr bewegen.
Wenn wir dies nicht wollen, gibt es nur einen Weg: Wir brauchen eine neue Spiritualität, wir müssen erkennen, dass wir nicht nur Körper, sondern auch – sogar zuallererst – Geist sind, und dass Leben und Tod nicht zwei, sondern eins sind. Es gibt das Eine nicht ohne das Andere. Wenn wir das sehen und im Geist zu Hause sind, sind wir geschützt. Der Psalm spricht die Wahrheit.
Wilfried Nelles, www.nellesinstitut.de
Der vollständige Text wurde bereits veröffentlicht im Multipolar-Magazin